ZEIT ONLINE

2022-09-17 12:13:30 By : Ms. Ciciley zheng

Manche Todesarten, sagt man, seien gnädiger als andere. Aber die Wüste ist gnadenlos. Wer hier stirbt, tut es voller Qualen. Man verzweifelt vor Durst, Erschöpfung und Schmerzen, lange bevor man den letzten Atemzug nimmt. "Diese Grenze", sagt Pedro, wenn er über die Sonora-Wüste spricht und über die Menschen, die in ihr zu Tode kommen, "ist eine Horrorstory."

Jedes Jahr versuchen Hunderttausende Menschen, von Mexiko in die USA einzuwandern. Viele probieren es mit einem offiziellen Asylgesuch, sie tauchen einfach an dem kupferfarbenen Stahlzaun auf und warten auf die Polizei. Die aber, die unentdeckt bleiben wollen, führt der Weg durch die Sonora-Wüste, die große Teile von drei mexikanischen und zwei US-amerikanischen Bundesstaaten überzieht. Sie gilt als Naturwunder von hypnotisierender Schönheit, voll mit seltenen Kakteen und Hunderten Vogelarten. Für die Migrantinnen aber, die hier ihren Weg nach Norden suchen, wird sie schnell zur Hölle. Mindestens 40 Kilometer Luftlinie sind es auf US-amerikanischer Seite von der Grenze bis zur nächsten größeren Straße, ohne Wasserstellen oder Unterstände.

Unentdeckt zu bleiben, das bedeutet auch: Niemand bekommt mit, wenn du Hilfe brauchst. Wie viele in dieser Wüste schon gestorben sind, weiß deshalb keiner genau. Und außer einigen wenigen sucht auch niemand nach ihnen.

Pedro Fajardo gehört zu Paralelo 31, einer Gruppe Freiwilliger, die ihre Wochenenden damit verbringt, durch abgelegene Teile der Grenzregion zu streifen und nach Vermissten zu suchen. Alarmiert werden sie meist von Angehörigen, die vergeblich auf ein Lebenszeichen von der anderen Seite gewartet haben. Dass die Paralelos jemanden noch lebend antreffen, kommt vor, aber es ist selten. Die schlimmsten Anrufe sind die von Sterbenden, zu denen sie gerade so zu spät kommen oder die sie bis tief in die Nacht vergeblich suchen. Am häufigsten finden sie Knochen – aber nicht immer gehören sie der Person, nach der sie gesucht hatten.

Was sie tun, dokumentiert den traurigsten Aspekt der US-Einwanderungspolitik, der es an traurigen Aspekten nicht mangelt. 2021 habe die Zahl der im Grenzgebiet zu Mexiko tot aufgefundenen Migranten mit mindestens 650 einen neuen Höchststand seit Beginn ihrer Erhebungen erreicht, warnte die UN-Behörde für Migration, rund ein Drittel davon entfiel auf Arizona. Tatsächlich dürften es noch viele mehr sein, die es nicht schaffen und langsam zum Gerippe werden, über das vielleicht eines Tages jemand stolpert. Outdoorfans etwa, die den Kick beim Campen in der Wüste suchen, oder Grenzpolizisten auf Patrouille. Oder aber Menschen, die den Gedanken nicht ertragen, dass in den USA niemand nach denen sucht, die dort auf ein neues Leben hoffen und stattdessen elendig den Tod finden.

Es ist ein Samstag im Mai, die Luft ist noch kühl, als an einer Tankstelle eine halbe Autostunde östlich der trägen Grenzstadt Yuma ein brummender Pick-up nach dem anderen auf den Parkplatz fährt. Die etwa 20 Männer und Frauen, die aussteigen, tragen zueinander passende rote Shirts und lange Hosen, immer wieder sieht man ein unterdrücktes Gähnen. Die meisten haben schon mehrere Stunden Fahrt hinter sich, obwohl es erst sechs Uhr morgens ist.

Die Stimmung ist trotzdem fröhlich. Man umarmt sich, kichert über ein Foto, das einer auf dem Handy herumzeigt. Er hat den Kopf von Gerardo Campos, dem Anführer der Gruppe, auf den Körper eines weiblichen Models montiert. Chiquitín, so rufen sie ihn wegen seiner Körpergröße, "na, Kleiner?". Gerardo grinst und winkt ab, er ist wohl der Müdeste von allen. Kurz vorm Muttertag, sagt er, hat er als Florist so viel zu tun wie sonst im ganzen Jahr nicht.

Die Gruppe spricht ausschließlich Spanisch untereinander. Fast alle, die heute hier mitmachen, kamen einst selbst über diese Grenze, als das noch einfacher war. Früher oder später erhielten sie einen legalen Aufenthaltsstatus, sie können zum Familienbesuch nach Mexiko fahren und ganz entspannt wieder zurück. Aber sie vergessen nicht, dass sie Glück gehabt haben. Das da draußen in der Wüste, das könnten auch sie sein.

„Jedes Jahr versuchen Hunderttausende Menschen, von Mexiko in die USA einzuwandern. Viele probieren es mit einem offiziellen Asylgesuch, sie tauchen einfach an dem kupferfarbenen Stahlzaun auf und warten auf die Polizei. Die aber, die unentdeckt bleiben wollen, führt der Weg durch die Sonora-Wüste, „

Wer sich in Gefahr gibt, kann darin umkommen. Und wer unentdeckt bleiben will, begibt sich auf einen illegalen Pfad.

@ein Unbekannter: Ihr Kommentar läßt sich in 2 Worten zusammenfassen: "Selbst schuld" Ich kenne diese Menschen nicht, die sich in die Wüste aufmachen, um ein besseres Leben zu finden. Das Risiko zu sterben, werden sie wohl bewußt in Kauf nehmen und die Verzweiflung muss riesengroß sein. Haben Sie da schonmal drüber nachgedacht?

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Richtig! Wüsten haben eine metaphysische Bedeutung für unsere menschliche Kultur! Viele Religionen wurden in der Wüste gegründet!

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