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Maraike Bückling: Nach 37 Jahre verlässt die Kuratorin das Liebieghaus. Bild: © Liebieghaus Skulpturensammlung, Foto: Katrin Binner
Von der neu erwachten Liebe zum Elfenbein und der Freude an der Kunst der Aufklärung: Nach 37 Jahren verabschiedet sich Kuratorin Maraike Bückling vom Frankfurter Liebieghaus.
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W enn man die Treppe runtergeht, ist man in einem Reich in Schwarz-Weiß. Fast. Da und dort ist mit Farbe gearbeitet worden, mit Metall auch, manche Farbe hat nur Spuren auf Elfenbein oder Holz hinterlassen, aber sonst: dunkel und hell. Es gibt sicher wenige Kuratorinnen und Kuratoren, die kurz vor ihrem Abschied noch einen ganz eigenen Sammlungsschwerpunkt präsentieren können. Mit „Splendid White“ ist das Maraike Bückling gelungen, einer Ergänzung von „White Wedding“, jener Präsentation, die seit 2019 den Großteil der Sammlung Reiner Winkler im Frankfurter Liebieghaus mit eigenen Beständen kombiniert: Elfenbein-Kleinskulpturen des Barock. Eine so wertvolle Sammlung, sagt Bückling, sei seit der Gründung des Hauses 1907 nicht mehr dazugekommen.
Das Elfenbein ist gewissermaßen eine späte berufliche Liebe von Maraike Bückling – und eine weitere Volte. Die erste hat einst eine junge Kunsthistorikerin mit einem entschiedenen Interesse an Malerei an die Liebieghaus Skulpturensammlung gebracht. 1985 war das, als Volontärin. Ihre Mainzer Professorin hatte der Doktorandin geraten, sich doch mal zu bewerben – sie wurde sofort genommen. Und hat nach dem Volontariat vom damaligen Direktor Herbert Beck eine feste Stelle angeboten bekommen.
Ein Glücksfall, heute träumen junge Kunstwissenschaftlerinnen von solchen Chancen. Von der Malerei ins Dreidimensionale zu wechseln, hatte Bückling erst nicht vorgehabt: „Mit der Beschäftigung wächst das Interesse. Heute bin ich eine echte Liebieghäuslerin.“ Und nun muss die „Liebieghäuslerin“ aus dem ein wenig verwunschenen Skulpturenmuseum, das immer noch ein bisschen wie das Wohnhaus wirkt, das es einst war, ausziehen. Nach 37 Jahren in „ihrer“ Epoche, Renaissance bis Klassizismus, geht Bückling in den Ruhestand.
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Bückling hat mit Ausstellungen wie zu Jean-Antoine Houdon, in Kooperation mit dem Louvre und dem Musée Fabre in Montpellier, oder zu „Die phantastischen Köpfe des Franz Xaver Messerschmidt“ großen Erfolg gehabt. „Glücksmomente“ und „grandiose Erfahrungen“ nennt sie diese Ausstellungen, die im 18. Jahrhundert fußten. Stets hat sie den Plastiken auch Malerei zugesellt, um die motivischen und geschichtlichen Zusammenhänge zu verdeutlichen. „Man kann alles erklären – es kommt nur darauf an, wie man es macht“, sagt Bückling.
Warum die Skulptur es dennoch viel schwerer hat, von Michelangelo oder Ähnlichem mal abgesehen, zur Blockbuster-Ausstellung zu werden wie große Gemälde-Präsentationen, erklärt sie sich so: „Vielleicht liegt es daran, dass Gemälde viel mehr erzählen können, während Skulpturen in einem Museum in der Regel ihren Kontext verloren haben.“ Der Alltagszusammenhang, ein Altar in einer Wohnung vielleicht, in der das Werk einst seinen Platz hatte, fehle. „Viele denken, dass Gemälde leichter zu verstehen seien, das stimmt aber nicht.“
Jedenfalls nicht, wenn man gut erklären kann: Ihre Kuratorinnenführungen sind stets faszinierende Mischungen aus Kunst- und Zeitgeschichte gewesen. Ihre letzte öffentliche hat sie längst gehalten, natürlich in „Splendid White“ – aber am letzten Arbeitstag wird sie noch einmal führen, als geschlossene Veranstaltung. Das 18. Jahrhundert ist zwar nicht ihre einzige Liebe, aber in jedem Fall ihre Lieblingsepoche: „Abgesehen von der Elfenbeinskulptur, die mich in den vergangenen Jahren komplett beschäftigt hat, bin ich am meisten heimisch im 18. Jahrhundert, in der Aufklärung. Das ist die Zeit, die mich am meisten fasziniert.“ All das, was von der Aufklärung in unsere Zeit reicht, Wissenschaft, Emanzipation, Philosophie, fasziniert Bückling. In Ausstellungen wie „Mehr Licht. Europa um 1770. Die bildende Kunst der Aufklärung“ 1999/2000 im Städel-Museum trat dies besonders hervor.
Jetzt kommt ein neues Kapitel. Als Nachfahrin des in Frankfurt wirkenden Malers Wilhelm Steinhausen (1846– 1924) ist sie Vorstandsvorsitzende der Wilhelm-Steinhausen-Stiftung, das Wohnhaus Steinhausens in der Wolfsgangstraße wird von ihr und der familiären Stiftung seit Langem als Museum des Malers geführt und derzeit überarbeitet, es gibt viel zu tun, zu sichten und zu erforschen, seit Bückling einst ihre Doktorarbeit über die Landschaften Steinhausens verfasst hat. „In meiner Arbeit werde ich mich auf Steinhausen und Elfenbein konzentrieren“, sagt sie. Auch ihre Tätigkeit in der sogenannten Ivory Group, einem kleinen feinen und höchst internationalen Netzwerk von Kunsthistorikern, die an Elfenbein forschen, werde sicher langsam auslaufen – denn sie habe dann ja keine Sammlung mehr, der sie vorstehe und als Ort für Treffen der Kollegen nutzen könne. Traurig ist sie darüber nicht: „Ich hatte genug Zeit, mich zu verabschieden.“
Der klare Blick, der Maraike Bückling so viele Jahre als Kuratorin ausgezeichnet hat, den hat sie auch auf sich selbst und auf das Ende einer langen Lebensspanne. Ihr letzter offizieller Arbeitstag ist der 31. August – aber sie ist schon lange dabei, die Handbibliothek zu ordnen, Akten zu übergeben. Was dann kommt? Andere Arbeit. Seit einem Jahr ist sie im Vorstand der Reiner Winkler Stiftung, die Elfenbeinforschung und -präsentation fördert. Dafür und für ihr Wirken in der Steinhausen-Stiftung wird sie auch weiter einen Fuß in Frankfurt haben. Aber umgezogen ist sie längst in ihre Heimatstadt Mayen, wo jetzt endlich auch ein standesgemäßes Arbeitszimmer eingerichtet werden soll. Bislang ist, bei all dem Tun, dafür nie Zeit gewesen.
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37 Jahre im Liebieghaus: Aus Liebe zur Aufklärung
Aus Liebe zur Aufklärung
Von der neu erwachten Liebe zum Elfenbein und der Freude an der Kunst der Aufklärung: Nach 37 Jahren verabschiedet sich Kuratorin Maraike Bückling vom Frankfurter Liebieghaus.
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